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Auteur/s
03.05.2022

Die Energiewende – Wie bekommt man die «Winterlücke» in den Griff?

Mit der beschlossenen Energiewende wollen wir fossile Brennstoffe wie Erdgas, Heizöl, Benzin, Diesel und Kerosin durch nachhaltige Energien wie elektrischen Strom aus Photovoltaik, Wasserkraft und Wind sowie Biomasse ersetzen. Besitzt die Schweiz überhaupt das Potenzial dafür, sich selbst zu versorgen? Die Antwort ist ein grosses Ja und ein kleines Nein.

Die aktuellen Anstrengungen in der Schweiz konzentrieren sich auf folgende Bereiche:

  • Raumwärme: Wärmebedarf senken. Wärmeversorgung umstellen, in der Regel auf Wärmepumpensysteme, die hauptsächlich im Winter elektrischen Strom benötigen.
  • Mobilität: Im Strassenverkehr wird massiv auf wiederaufladbare lithium-basierte Batterien gesetzt.
  • Kernenergie: Ersatz der Kernenergie durch grünen Strom.
  • Bau von Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung, in der Regel PV-Anlagen und Tages- / Gewerbespeicher

Es wird also in erster Linie elektrischer Strom für die Transformation weg von fossilen Brennstoffen hin zu grünem Strom benötigt. Wieviel davon benötigen wir, um die Energiewende in der Schweiz umzusetzen?

Bedarf
Elektro- und Wasserstoff-Mobilität
kann Benzin und Diesel für den mobilen Verkehr vollständig ersetzen. Im Gebäudebereich können strombasierte Systeme (Wärmepumpen für Umwelt-, Grundwasser- und Erdwärme) Erdgas und Heizöl ersetzen. Im Flugverkehr werden wohl weiterhin Flugtreibstoffe zum Einsatz kommen, allerdings synthetisch hergestellte anstelle von fossilen. Um 15.6 TWh Flugtreibstoffe herzustellen (Mittelwert der Jahre 2019 und 2020 gem. offizieller Statistik), werden rund 120 TWh an grünem Strom benötigt.

Für den Ersatz der fossilen Treib- und Brennstoffe werden mindestens 65 TWh pro Jahr an zusätzlichem erneuerbarem Strom benötigt. Falls ein Drittel der Mobilität durch Nutzung von Wasserstoff erfolgen soll, sogar rund 80 TWh/a.

Potenzial
Wie kann dieser Bedarf gedeckt werden? Das Bundesamt für Energie (BFE) sieht ein Potenzial von 100 TWh. Davon sind 67 TWh/a Solarstrom (von PV-Anlagen auf potenziellen Dächern und Fassaden). Swissolar weist ein weiteres Potenzial für PV-Strom in Höhe von 15 TWh/a aus (Infrastrukturanlagen wie Parkplatzüberdachungen, Strassen, etc.).

Energie-Potenziale der Schweiz bis 2050; Quelle BFE und Swissolar
Energie-Potenziale der Schweiz bis 2050; Quelle: BFE und Swissolar

Unter der Annahme, dass wir diese Potenziale tatsächlich nutzen, lässt sich eine Prognose für die zukünftige Strombereitstellung ableiten. Die Produktion von PV-Strom schwankt im Jahresverlauf stark; zirka drei Viertel fallen im Sommer an.

Prognose Stromerzeugung und -bedarf
Prognose Stromerzeugung und -bedarf

Der Vergleich der zukünftigen Produktion mit dem prognostizierten Bedarf zeigt einen Stromüberschuss im Sommer und eine Unterversorgung im Winter. Dies wird sich wohl auch preislich auswirken, wenn nicht Korrekturen vorgenommen werden. Die gute Nachricht ist, dass die Schweiz sich über das ganze Jahr gerechnet selbst versorgen kann – wenn man die Flugtreibstoffe zunächst ausser Betracht lässt.

Wie kann die Unterdeckung im Winter behoben werden? Zwei grundsätzliche Vorgehensweisen sind angezeigt:

  • Bedarf an elektrischem Strom im Winter senken.
  • Stromproduktion im Winter steigern.

Einen Stromimport aus den umliegenden Staaten erachten wir als unrealistisch, weil diese ebenfalls eine Unterdeckung haben dürften. Der elektrische Strom müsste aus entfernteren Regionen wie Nordafrika kommen. Ebenso erscheint es unrealistisch, die inländische Produktion im Winter signifikant über das angegebene Potenzial hinaus zu steigern.
Die hohen erforderlichen Investitionen sollten effizient genutzt werden. Betrachtet man daher neben der technischen Umsetzbarkeit die Kosten (Investition pro im Jahr gespeicherter Kilowattstunde), lassen sich folgende Handlungsstränge ableiten:

Strombedarf im Winter reduzieren

  • Reduzierung des Wärmebedarfs durch Dämmen der Gebäudehülle.
    Hohes Potenzial, unbedingt weiter vorantreiben.
  • Aufbau (grosser) thermischer Speicher als saisonale Speicher zur direkten Nutzung von Wärme für Gebäude.
    Unterschätztes Potenzial, welches massiv genutzt werden sollte.
  • Effizienzsteigerung u.a. durch Optimierung des Betriebes von Luft-Wasser-Wärmepumpen (Betrieb am Nachmittag, wenn es am wärmsten ist, statt am frühen Morgen).
    Die Effizienzsteigerung der Wärmepumpe übersteigt Verluste durch Speicherung.

Stromproduktion im Winter steigern

  • Speicherung von Sommerstrom in chemischer Energie wie Wasserstoff (Power-to-X), welcher im Winter wieder in Strom umgewandelt oder in der Mobilität eingesetzt wird (Brennstoffzelle oder Verbrenner).
    Sehr grosses Potenzial, welches in grossem Umfang genutzt werden muss.
  • Potenzial: Direkte Speicherung in nachhaltige wiederaufladbare Batterien wie RedOx-Flow-Batterien.
    Angewandte Forschung und Transfer dieser Technik in reale Anwendungen sollten forciert werden. Die derzeit im Fokus stehenden Tages- und Gewerbespeicher auf Lithium- oder Natrium-Basis müssten massiv kostengünstiger werden, damit sie ökonomisch als saisonale Speicher in Frage kommen.

Durch Nutzung der Potenziale und Kombination aller genannten Massnahmen kann die Stromlücke im Winter geschlossen werden und ist eine energiepolitische Unabhängigkeit der Schweiz möglich. Mit einer Ausnahme: Flugtreibstoffe müssen weiterhin importiert werden. Für die Produktion reichen die erwähnten Potenziale nicht aus und es scheint uns wirtschaftlich unrealistisch, die benötigte zusätzliche Grünstromproduktion aufzubauen. Flugtreibstoffe könnten in sonnenreichen Gegenden aus PV-Strom oder hochkonzentrierter Sonnenwärme sowie CO2 aus Luft und Wasser hergestellt werden.

Fazit: Die Energiewende lässt sich verwirklichen und die Schweiz kann sich mit Ausnahme von Flugtreibstoffen von Energieimporten unabhängig machen. Wir erarbeiten sehr gerne die Konzepte für Sie, damit Sie Ihren Beitrag dazu leisten können, und wir unterstützen Sie bei deren Umsetzung.